Human Centric Lighting (HCL)

Unter der Bezeichnung "Human Centric Lighting” versteht man heute solche Anwendungen der Beleuchtung, bei denen in besonderer Weise der Mensch und sein Wohlbefinden in den Mittelpunkt des Interesses gestellt werden. Das Bewusstsein um den Einfluss der Beleuchtung auf Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen entwickelt sich in den vergangenen Jahren zunehmend unter dem Eindruck weitreichender, neuer Erkenntnisse aus intensiver Forschungstätigkeit. Diese Erkenntnisse führen heute dazu, gutes Licht neu zu definieren. Neben der Schaffung guter Sehbedingungen und der räumlichen Wirkung des Lichtes ist in der Planung und Ausführung vieler Anwendungen auch die spektrale Zusammensetzung im Tagesverlauf zu berücksichtigen.

Tatsächlich hat sich der Mensch in seiner mehrere millionen Jahre zurückliegenden Entwicklungsgeschichte zu einem Tageslichtwesen entwickelt. Er hat sich in seiner Evolution an das Tageslicht und seine sehr unterschiedlichen Wirkungen ebenso gewöhnt wie an den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus.

In den vergangenen ca. 100 Jahren hat sich der Mensch nun – entgegen dem natürlichen Tag-Nacht-Turnus – eine globale 24-Stunden-Gesellschaft geschaffen, in der er nach dem Motto „Licht macht die Nacht zum Tage“ scheinbar unabhängig vom Tagesrhythmus ist. Diese scheinbare Unabhängigkeit ist, wie wir heute wissen, äußerst kritisch zu bewerten. Licht sollte, aus Gründen der Gesundheit und des Wohlbefindens, stets am natürlichen Licht orientiert sein und gezielt in den Tagesverlauf integriert werden. Der wesentliche Aspekt ist dabei die biologische Wirkung des Lichts auf unsere innere Uhr. Aber auch die emotionale, psychologische Wirkung von Beleuchtung ist nicht zu vernachlässigen.

Erst im Jahr 2000 wurde ein zusätzlicher Empfänger im Auge entdeckt, welcher bei dieser biologischen, nichtvisuellen Lichtwirkung eine wichtige Rolle spielt. Der „neue“ Rezeptor, eine photosensitive Ganglienzelle, die nicht am eigentlichen Sehvorgang beteiligt ist, reagiert besonders auf Lichtwellenlängen im kurzwelligen, „blauen“ Bereich des Spektrums von ca. 480 nm (siehe Abschnitt, "Optische Strahlung”). Seit seiner Entdeckung beschäftigen sich Wissenschaft und Industrie mit dem Verständnis der nicht-visuellen Wirkung auf den Menschen und haben so einen Kenntnisstand generiert, der sich nach und nach auch in der Lichtanwendung widerspiegelt. Insbesondere hat die Entdeckung des Proteins Melanopsin , welches als Photopigment die neu entdeckten Ganglienzellen lichtempfindlich macht, den Begriff der „melanopischen Wirksamkeit” des Lichts geprägt.

Klar ist: Zusammensetzung und Intensität des von verschiedenen Lichtquellen emittierten Spektrums haben verschiedene Auswirkungen auf den Menschen. So kann durch richtige Beleuchtung das Wohlbefinden gesteigert und Stimmung positiv beeinflusst werden. Auch Aktivierung oder Entspannung können durch Licht unterstützt werden.

Abbildung 3.34: Die für den blauen Lichtanteil besonders sensitiven Ganglien-Zellen befinden sich im unteren Bereich der Retina. Sie sind am Sehvorgang nicht beteiligt, sind aber Signalgeber für unsere “Innere Uhr”.

Dabei kann die melanopische Wirkung des Lichts vor allem gesundheitliche Aspekte wie Aktivierung, Erholung und allgemeines Wohlbefinden verbessern (nicht-visuelle Wirkung), während die visuelle Wirkung Emotionen hervorrufen und unterstützen kann. Die Kombination aus nicht-visueller und visueller Unterstützung des Menschen definiert den Begriff „Human Centric Lighting”.

In der Anwendung kann zwischen vier grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten unterschieden werden.

  • Melanopisch wirksames Licht zum Erhalt der Gesundheit
    Der menschliche Tag-Nacht-Rhythmus kann durch Licht unterstützt werden. Wie das Tageslicht kann gezielte Beleuchtung durch Änderung der Lichtfarbe und Intensität Gesundheit und Leistungsfähigkeit erhalten und fördern.

  • Melanopisch wirksames Licht zur Aktivierung
    Beleuchtung unterstützt die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Durch die aktivierende Wirkung insbesondere von kälteren Lichtfarben kann auch die kognitive Leistungsfähigkeit gesteigert werden.

  • Melanopisch wirksames Licht zur Erholung
    Licht wirkt aktivierend, trägt aber auch aktiv zur Erholung und Entspannung bei. Das Wohlbefinden kann durch Anpassung der Beleuchtung an individuelle Bedürfnisse, beispielsweise durch Änderung zu wärmeren Lichtfarben, gesteigert werden.

  • Licht, das Emotionen weckt
    Beleuchtung inszeniert, akzentuiert und erschafft Räume. Durch das Schaffen unterschiedlicher Lichtatmosphären können Emotionen der Begeisterung oder Gemütlichkeit ausgelöst werden, die das Wohlbefinden erhöhen.

Der Begriff "melanopisch wirksames Licht” beschreibt dabei nicht eine Lichtsituation, gekennzeichnet durch absolute Angaben physikalischer und lichttechnischer Kennwerte. Er beschreibt vielmehr die zeitliche, relative Variation derselben, die geeignet ist, die Physiologie des menschlichen, circadianen Rhythmus zu unterstützen (siehe Abschnitt „Der circadiane Rhythmus und die innere Uhr")

Human Centric Lighting grenzt sich also überall dort von der rein technischen Beleuchtung ab, wo Licht eine psychologische, physiologische oder psychobiologische Wirkung auf den Menschen haben soll.