Mit der Neufassung der EU-Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD – Energy Performance of Buildings Direktive) ist die im Jahre 2002 erlassene Vorschrift zur Verringerung des Energieverbrauchs und damit des CO2-Ausstoßes von Gebäuden überarbeitet worden. Neben der Heizung, Lüftung und Klimatisierung des Gebäudes wird damit auch die künstliche Beleuchtung – und zwar nur die künstliche Beleuchtung zur Erfüllung der Sehaufgaben, nicht die dekorative Beleuchtung – erfasst. Die Richtlinie gilt für neue Wohn- und Dienstleistungsgebäude mit einer Gesamtnutzfläche ab 1.000 m2 sowie für bestehende Wohn- und Dienstleistungsgebäude mit einer Gesamtnutzfläche ab 1.000 m2, wenn größere Renovierungen mit mehr als 25% des Gebäudewertes durchgeführt werden. Ihre Umsetzung in deutsches Recht in Form des Energieeinspargesetzes und der Energieeinsparverordnung (EnEV) schreibt seit 2007 in Deutschland die Erstellung eines Energieausweises zur Erteilung einer Baugenehmigung verbindlich vor. In anderen europäischen Ländern existieren entsprechende gesetzliche Regelungen. In England gilt seit 2003 die „Building-Regulation“. Belgien, Frankreich, die Schweiz und die Niederlande arbeiten ebenfalls schon lange mit Systemen zur Energiebilanzierung in Gebäuden. Eine Harmonisierung der Bewertungssysteme ist gegenwärtig nicht absehbar. Die Intention der EU-Richtlinie ist, die energetische Qualität von Gebäuden über einen Gebäudeenergiepass (siehe Abbildung 3.57) zu kennzeichnen, ähnlich der Energiekennzeichnung für Haushaltskühlgeräte oder für Lampen. In Deutschland ist der Energiepass für alle Gebäude – unabhängig von deren Größe – vorgeschrieben, für Wohnungen und Wohngebäude allerdings ohne den Energieanteil für die Beleuchtung.
Zur Umsetzung der EPBD (siehe oben) ist in Deutschland das Energieeinspargesetz erlassen worden. Dieses verweist bzgl. konkreter, technischer Anforderungen auf die Energieeinsparverordnung, die derzeit in der Version EnEV 2014 vorliegt, welche seit dem 01.05.2014 gültig ist. Sie wird in Kürze durch ein neues Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) abgelöst werden, in dem bzgl. der Beleuchtung jedoch keine wesentlichen Änderungen zur heute gültigen EnEV vorgesehen sind. Lediglich der Bezug auf die Vornorm DIN V 18599 ist nun auf die Fassung aus dem Jahr 2018 aktualisiert (siehe unten, „Deutsche Norm DIN V 18599”). Die EnEV 2014 nutzt zur Festlegung der Mindestanforderungen an die Energieeffiizienz eines Gebäudes ein sogenanntes Referenzwertverfahren, mit dem der maximal zulässige Gesamt-Energiebedarf des Gebäudes bestimmt wird. Der Energiebedarf eines Gebäudes ist in diesem Zusammenhang keine Messgröße, sondern eine theoretische Größe, die nach einem festgelegten Berechnungsverfahren zu ermitteln ist. Die Gründe für eine solche Vorgehensweise sind im Wesentlichen:Theoretische Bedarfswerte können vor der Inbetriebnahme des Gebäudes und somit auch vor der Baugenehmigung ermittelt werden (siehe unten). Bei dem Berechnungsverfahren werden in der Norm festgelegte Randbedingungen für den Betrieb des Gebäudes unterstellt, u. a. sogenannte Nutzerprofile. Individuell unterschiedliche Verhaltensweisen der Nutzer beeinflussen die Bewertung nicht. Durch die Eliminierung der Nutzereinflüsse besteht eine hohe Vergleichbarkeit der Wirksamkeit der eingesetzten Technologien.Bei der Berechnung des Energiebedarfs wird zwischen Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden unterschieden. Für Nichtwohngebäude ist das Berechnungsverfahren in der Vornorm DIN V 18599 (siehe unten) vollständig beschrieben. Der Gesamt-Energiebedarf für Nichtwohngebäude ergibt sich aus der Summe der Energiebedarfe aller haustechnischen Anlagen fürHeizung, Warmwasser, Eingebaute Beleuchtung, Lüftung, Kühlung einschl. Befeuchtung.Für elektrischen Strom wird ab dem 01.01.2016 ein Primärenergiefaktor (*) von 1,8 für die Stromerzeugung angesetzt. Dies bedeutet, dass die Menge der verbrauchten elektrischen Energie mit diesem Faktor multipliziert wird, um die Verluste der Stromerzeugung zu berücksichtigen. Das entworfene Gebäude wird mit einer Software, in der die Rechenverfahren der DIN V 18599 implementiert sind, erstellt. Dieses Gebäude wird nun komplett mit den Baustoffen und den Komponenten der technischen Gebäudeausrüstung in der Ausführung der in der EnEV definierten Referenztechnologie bestückt. Der mit der Referenztechnologie errechnete Wert ist nun der Referenzwert des Energiebedarfs.
Vornormen werden i. A. ohne Normentwurf sofort veröffentlicht, um so schnell umgesetzt werden zu können. Der Gesetzgeber kann die Anwendung von Vornormen vorschreiben. Im Fall der aktuellen Energieeinsparverordnung EnEV 2014 ist die Anwendung der DIN V 18599 in der Fassung vom Dezember 2011 verbindlich vorgeschrieben. Für die Beurteilung des Energiebedarfs der Beleuchtung sind die Teile 1, 4 und 10 der Norm DIN V 18599 von Bedeutung.Im Teil 1 werden werden die allgemeinen, die Gewerke übergreifenden, Begriffe und Methoden behandelt. DIN V 18599-4 erfasst alle technischen Einflüsse auf den Energiebedarf der Beleuchtung, wie die installierte Anschlussleistung des Beleuchtungssystems, die Tageslichtversorgung, und die Beleuchtungssteuerung. Die Werte der vielfältigen technischen Einflussgrößen sind hier detailliert in Tabellen hinterlegt. Im Teil 10 werden die anwendungsspezifischen Größen behandelt. Ihnen liegen umfangreiche Recherchen und statistische Erhebungen zu Grunde. Tabellarisch werden diese zu 41 Nutzerprofilen zusammengefasst (siehe Tabelle 3.37).
Der Geltungsbereich der Norm in Bezug auf die Beleuchtung umfasst ausschließlich die Beleuchtung zur Erfüllung der Sehaufgabe in Nichtwohngebäuden; dekorative Beleuchtung wird durch diese Norm nicht berücksichtigt. Ebenso verhält es sich bei Ihrer Anwendung im Rahmen der aktuellen EnEV, da nur die Erfüllung der Sehaufgabe der Funktion des Nichtwohngebäudes zuzuordnen ist. Der Energiebedarf für Beleuchtungszwecke wird in jedem zu betrachtenden Bereich (Raum oder Raumzone) als Produkt aus elektrischer Anschlussleistung (elektrische Bewertungsleistung) und der effektiven Betriebszeit der Kunstlichtanlage ermittelt. Die effektiven Betriebszeiten berücksichtigen, ausgehend von der Gesamtbetriebszeit der Beleuchtungsanlage gemäß den im Teil 10 der Norm aufgeführten Nutzerprofilen (siehe Tabelle 3.37), das energetische Einsparpotenzial aufgrund der Tageslichtnutzung und einer eventuellen Abwesenheit der Nutzer in den jeweils betrachteten Bereichen (siehe Tabelle 3.37).
wobei alle aufgeführten Faktoren den in der Norm DIN V 18599 enthaltenen Tabellen entnommen bzw. mit ihnen berechnet werden können (siehe Tabellen).
Diese verallgemeinerte Betrachtung berücksichtigt keine konkreten Produktdaten der einzusetzenden Leuchten, sondern lediglich deren prinzipielle Form der Lichtverteilung (Lichtstärkeverteilungskurve) und die Art der Lampe und ggf. des eingesetzten Vorschaltgerätes. Das Tabellenverfahren ist in den Softwareprogrammen zur Erstellung des Energieausweises gemäß der EnEV implementiert (siehe oben, EnEV). Das vereinfachte Wirkungsgradverfahren bietet eine Möglichkeit zur detaillierteren Betrachtung des Energiebedarfs unter Berücksichtigung konkreter Leuchtendaten. Es hat in der Praxis aber nur eine geringe Bedeutung. Mit ihm wird die elektrische Leistung der Beleuchtung (Bewertungsleistung) nach folgender Formel berechnet:
Der Leuchten-Betriebswirkungsgrad und der Raumwirkungsgrad ergeben zusammen den Beleuchtungswirkungsgrad (ηLB ⋅ηR = ηB). Dieser ergibt sich aus der Lichtverteilung der Leuchte, Ihrer Position im Raum, der Geometrie des Raumes und den Reflexionseigenschaften der Raumbegrenzungsflächen (siehe auch Kapitel). Er wurde bis in die 1990er Jahre von vielen Herstellern technischer Leuchten in Tabellenform auf den Datenblättern ihrer Produkte veröffentlicht. Heute werden Leuchtendaten von den Leuchtenherstellern im Allgemeinen in den Datenformaten der marktüblichen Lichtplanungs-Softwareprogramme veröffentlicht. Diese Programme nutzen intern weiterhin das Wirkungsgradverfahren zur schnellen Ermittlung der ungefähr benötigten Anzahl der Leuchten. Dieser Ermittlung kann dann auch die spezifische Anschlussleistung entnommen werden, ohne Tabellenwerte manuell bearbeiten zu müssen. Die Fachplanung ist die Grundlage der tatsächlich auszuführenden Installation der Beleuchtungsanlage und bietet somit u. a. die präzise Ermittlung ihrer spezifischen Anschlussleistung. Diese kann dann zur Erstellung des Energieausweises verwendet werden (siehe Kapitel).
Energiebedarfsfaktor Abwesenheitserfassung Das Einsparpotential bzgl. der aufzuwendenden Beleuchtungsenergie durch Nutzung von Abwesenheitszeiten ist abhängig vonder jährlichen Gebäudenutzungsdauer, der relativen Abwesenheit von Personen, angegeben in % der Gebäudenutzungsdauer und der Art des installierten Anwesenheitserfassungssystems, bzw. dessen Effizienz der Erfassung der Abwesenheitszeiten.Die ersten beiden Faktoren sind im Rahmen der Erhebungen zur Erarbeitung der Norm DIN V 18599 statistisch ermittelt und im Teil 10 der Norm in den Nutzerprofilen notiert worden (siehe Tabelle 3.37). Für den letzten Faktor, die Effizienz einer elektronischen Erfassung der Abwesenheitszeiten, wird im Teil 4 der Norm der Wert von 0,95 angegeben. Dies bedeutet, dass z. B. in einem Einzelbüro bei einer jährlichen Nutzungsdauer von 2.750 h die 30%-ige Abwesenheit zu 95% erfasst wird, woraus sich für die automatische Ausschaltfunktion ergibt: 2.750h ⋅ 0, 3 ⋅ 0, 95 = 784h, also eine jährliche Betriebszeit der Beleuchtung von 1.966 h übrig bleibt.
Dabei wird zur Bestimmung des Einsparpotentials der tageslichtabhängigen Lichtregelung auch das Dimmender Beleuchtung (Reduzierung der Leistungsaufnahme)formal der Reduzierung der effektiven Betriebszeit teff,Tag,TL,j zugerechnet. Der Grad der Tageslichtversorgung in der Teilfläche ATL,j wie auch die Größe und Lage der Teilflächen ATL,j und AKTL,j ergeben sich aus den baulichen Gegebenheiten (siehe oben, Abschnitt „Energiebedarfsfaktor Tageslichtnutzung”).